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Die Zukunft der Unternehmensanalyse (BA)

Gil Regev · Dezember 15, 2021

Was werden wir tun, wenn alles automatisiert und „informiert“ ist?

 

Ich lebe in einer Weinregion oberhalb des Genfer Sees. Als ich heute Morgen mit meinem Hund spazieren ging, sah ich die vertraute Szene des Bauern, der seinen Weinberg entstaubt. Er kam mit seinem Traktor, an den der Staubwedel angekoppelt war, und fuhr jede einzelne Weinbergreihe ab. Ich schätze, dass der Bauer etwa eine Stunde gebraucht hat, um den gesamten Weinberg abzustauben. Als ich das sah, begann ich darüber nachzudenken, wie diese Szene wohl vor etwa 60 Jahren ausgesehen haben mag, also vor dem verbreiteten Einsatz von Maschinen in der Landwirtschaft. Vielleicht waren bis zu zehn Personen beteiligt, für die es einen Tag harter, schmutziger Arbeit bedeutete, das zu schaffen, was der einzelne Bauer in nur einer Stunde geschafft hat.

Ein paar Monate später ist die Weinlese in vollem Gange. Viele Menschen sind damit beschäftigt, die Trauben in den Weinbergen der Region zu ernten. Aber in einigen Weinbergen gibt es nur noch wenige Menschen. Stattdessen erntet dort eine große Maschine einen ganzen Weinberg alleine, mit einem einzigen Bediener. Die gleiche Geschichte der Automatisierung wiederholt sich. Die Ernte wird in viel kürzerer Zeit und mit viel weniger Aufwand durchgeführt. Das Ergebnis wird viel schneller und genauer erreicht, aber alle Menschen, die früher die Trauben geerntet haben, sind verschwunden.

In den 60 Jahren, in denen sich die Landwirtschaft von einer arbeitsintensiven gemeinschaftlichen Tätigkeit zu einer weitgehend mechanisierten Einzelarbeit gewandelt hat, hat die IT dieselbe Entwicklung durchgemacht. Jeder Mensch, der ein Smartphone besitzt, kann heute das tun, was sich vor 60 Jahren viele Menschen gemeinsam nicht hätten erträumen können. Zum Beispiel eine Videokonferenz mit einem Kollegen am anderen Ende der Welt abhalten oder eine anspruchsvolle Website durch das Zusammenfügen einiger Module in einem cloudbasierten System erstellen.

Automatisierung ist heute der letzte Schrei, aber das ist nur ein Aspekt, in dem die IT unser Leben verändert hat.

Buch The Age of the Smart Machine (1988) vor, dass die Automatisierung nur eine der beiden Hauptfähig-keiten ist, die der damals aufkommende Einsatz von Computern in Unternehmen bietet. Die andere Fähig-keit sei die der Information. Während sie die Arbeit automatisiert, verfügt die IT über die Fähigkeit, die der Mechanisierung fehlt – Daten über die geleistete Arbeit zu sammeln und bereitzustellen. Zuboff nannte dies „Informieren“. „Die Informationstechnologie“, so Zuboff, „produziert nicht nur Aktionen, sondern auch eine Stimme, die Ereignisse, Objekte und Prozesse symbolisch wiedergibt, sodass sie auf neue Weise sichtbar, erkennbar und mitteilbar werden.“ [1] 

Die Kombination dieser beiden Fähigkeiten – auto-matisieren und „informieren“ – wird, wie sie bereits in den 1980er Jahren bemerkte, Organisationen und die Gesellschaft weit mehr verändern als die reine Automatisierung. Zuboff behauptet, wenn wir die Einzigartigkeit des „Informierens“ nicht begreifen, „werden wir in einer neuen Welt mit alten Lösungen stranden“. Und „werden unter den unbeabsichtigten Folgen des Wandels leiden“. [2] 

Betrachten wir nun die Rolle der Unternehmensanalyse

Die Rolle der Unternehmensanalyse wird erst jetzt in den Unternehmen anerkannt. Bis vor kurzem war sie Teil der Arbeit von Entwicklern oder Projektma-nagern. Bei den Entwicklern gab es eine allmähliche Veränderung von der reinen Codeerstellung hin zur Definition von Spezifikationen (die festlegen, was der Code tun soll, bevor er codiert wird) und zu Anfor-derungen (die festlegen, was die Benutzer brauchen, bevor festgelegt wird, was der Code tun soll).

Die Geschäftsanalyse entstand irgendwann in den 1990er Jahren als eine von der Programmierung und dem Projektmanagement getrennte Praxis. Sie kann als direkte Reaktion auf die von Zuboff geäußerten Bedenken gesehen werden. Die urs-prüngliche Definition der Geschäftsanalyse wurde von „die Gesamtheit der Aufgaben, Kenntnisse und Techniken, die erforderlich sind, um Geschäftsbe-dürfnisse zu ermitteln und Lösungen für Geschäfts-probleme zu bestimmen“ [3] im Business Analysis Body of Knowledge (BABOK) Version 1.6 von 2006 auf die „Praxis der Ermöglichung von Veränderun-gen in einem Unternehmen durch die Definition von Bedürfnissen und die Empfehlung von Lösungen, die den Stakeholdern einen Nutzen bringen“[4] im BABOK V3 von 2015 geändert. Es geht nicht mehr um geschäftliche Bedürfnisse, Probleme und Lösun-gen. Es geht um organisatorische Veränderungen, Werte und Stakeholder. 

Leider wird der BABOK seiner eigenen Vision nicht gerecht. Das zugrundeliegende Unternehmensmo-dell ist ein hierarchisches Befehls- und Kontrollsys-tem, das aus dem Zeitalter der industriellen Revo-lution übernommen wurde. Die Automatisierung wird getrennt vom Informationsprozess behandelt. Informationen werden lediglich als Zutat zur Verbes-serung der Entscheidungsfindung betrachtet. Zuboff sah voraus, dass wir in dieser Zwickmühle gefangen werden sein könnten. „Werden wir Führungskräfte haben, die in der Lage sind, die organisatorischen Bedingungen zu schaffen, unter denen neue Vi-sionen, neue Konzepte und eine neue Sprache für die Beziehungen am Arbeitsplatz entstehen?“ [5], fragte sie. Wie von Zuboff vorhergesagt, führt dies dazu, dass dieselben Organisationsstrukturen, die wir von der industriellen Revolution geerbt haben, fortbestehen, was zu den „unbeabsichtigten Folgen“ der Ablehnung von Veränderungsinitiativen führt. Um die unbeabsichtigten und unerwünschten Folgen des Wandels zu vermeiden, täte der Unternehmen-sanalytiker gut daran, die Rolle des „Informierens“ und Automatisierens bei der Schaffung dieser neuen Visionen, Konzepte, Sprachen und Beziehungen zu verstehen, von denen Zuboff sprach.

Die „informierte“ Organisation, schreibt Zuboff, ba-siert auf Beziehungen der Gleichheit, die das Lernen aller Mitglieder fördern, und fügt hinzu: „In der tra-ditionellen Organisation verleiht die Aufteilung des Lernens der Legitimität der imperativen Kontrolle Glaubwürdigkeit. In einer „informierten“ Organisation führt die neue Aufteilung des Lernens zu Erfahrun-gen, die eine Synthese der Interessen der Mitglie-der fördern, und der Fluss von wertschöpfendem Wissen trägt dazu bei, die Organisation als Lernge-meinschaft zu legitimieren.“ [6] 

Um ihrem eigenen Ziel, den Wandel zu ermöglichen, gerecht zu werden, täte die Unternehmensanalyse gut daran, die „informierende“ Dimension und ihre Verheißungen und nicht ihre Fallstricke einzubezie-hen, wie Zuboff vor mehr als 30 Jahren dargelegt hat. Ganz nebenbei muss sie ihren Namen ändern und sollte besser „Business Synthesis“ heißen, um das Wesen der Organisation als eine Struktur für ge-meinsames Arbeiten und Lernen zu fördern.

 

Quellenangaben:

[1] Shoshana Zuboff, In the Age of the Smart Machine, Heinemann, 1988, p. 9
[2] Shoshana Zuboff, In the Age of the Smart Machine, Heinemann, 1988, p. 12
[3] IIBA, A Guide to the Business Analysis Body of Knowledge, v1.6, 2006
[4] IIBA, A Guide to the Business Analysis Body of Knowledge, v3, 201
[5] Shoshana Zuboff, In the Age of the Smart Machine, Heinemann, 1988, p. 12
[6] Shoshana Zuboff, In the Age of the Smart Machine, Heinemann, 1988, p. 394

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